GESCHICHTE & DENKMALSCHUTZ ( B )

31.08.2013 00:22

60 Jahre Wohnsiedlung München-Ludwigsfeld

von

Tauno M. Lang

Posted by: Online-Redaktion , Juli 3, 2013

"BALTISCHE RUNDSCHAU"

Wohnblocks in der Opalstraße

 

Wer sich heute auf den Weg macht, um über Moosach in den Münchner Norden zu kommen, wird keine sichtbaren Zeichen mehr davon finden, welch unermesslich menschliches Leid während des NS-Terrorregimes mit Ludwigsfeld verbunden war – seit 1943 hat sich auch das berüchtigte Außenlager Allach des Konzentrationslagers Dachau an diesem Schreckensort bis zum Kriegsende befunden. Es wurde für die kriegswichtige Industrie aus dem Boden gestampft, um die Arbeitskraft von KZ-Häftlingen, Zwangs- und Fremdarbeitern sowie Kriegsgefangenen, insbesondere für die BMW Flugmotoren Gesellschaft m.b.H. als exponierten Luftrüstungsbetrieb, einzusetzen bzw. rücksichtslos auszubeuten. Zeitweise waren mehr als 20.000 Häftlinge in den Baracken auf engstem Raum elend zusammengepfercht.

Erst als die alliierten amerikanischen Militärtruppen von Dachau aus weiter gen Süden Ende April 1945 vorstießen, waren sie in Ludwigsfeld erneut mit dem Bild des unfassbaren Grauens konfrontiert, ehe sie anfangen konnten, die vollends ausgemergelten Lagerinsassen zu befreien.

Der kulturhistorische Verein Feldmoching und allen voran „Kugel – die Kulturgemeinschaft Ludwigsfeld“ haben zusammen mit der Initiative „Gegen Vergessen – für Demokratie e.V.“ die Ausstellung „60 Jahre Ludwigsfeld“ konzipiert, um das leidliche, aber nicht minder interessante Kapitel aus der Geschichte Münchens als der ehemaligen „Hauptstadt der Bewegung“ zur heutigen „Weltstadt mit Herz(rhythmusstörung)“ nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Für die meisten Stadtbewohner liegt es heute jenseits jeglicher Vorstellung.

München war zur sog. historischen „Stunde Null“ durch die alliierten Bombenangriffe nahezu in Schutt und Asche gelegt und so konnte man beispielsweise vom Hauptbahnhof aus in das entfernte Künstlerviertel Schwabing schauen. Zerstörung weit und breit, wohin das Auge reichte. Der totale Zusammenbruch hat bei den Verantwortlichen ernsthafte Überlegungen hervorgerufen, die Stadt mitsamt seinen Bauruinen als ewiges Mahnmal menschlichen Irrsinns stehen zu lassen und München am Starnberger See wieder neu aufzubauen. Diese idealistischen Gedanken sind aber nicht in die Tat umgesetzt worden, weil trotz aller Zerstörung die Infrastruktur unter der Stadt noch intakt geblieben war. So kurz ist zuweilen die Ewigkeit.

 

 

 

Prozession von der Holzkirche zum Bauplatz in der Achatstraße

 

Aber wie sollten die Überlebenden des KZ-Areals von Ludwigsfeld in den Nachkriegswirren wieder sicheren Boden unter die Füße bekommen? Zunächst gar nicht, denn die amerikanische Militärregierung verfügte, dass das „menschliche Strandgut“ wegen der Wohnungsnot und der Angst vor Seuchengefahr im Lager verbleiben musste. Von der sog. Zwangsrepatriierung nach dem Jalta-Abkommen von 1945 waren insbesondere die Angehörigen bei Rückkehr in ihre Heimatländer der Sowjetunion bedroht. Diktator Stalin betrachtete selbst die Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter als Kollaborateure und das bedeutete die Deportation in die Arbeitslager nach Sibirien oder unmittelbar die Verurteilung zum Tode. Auch der Weg zur Auswanderung in die USA, in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, war mit großen Hürden und Schikanen gepflastert. Woher allein 1000 US-Dollar für die Kaution pro Person hernehmen?

Eine soziale Katastrophe bahnte sich an und deshalb reiften nach Unterzeichnung des Marschall-Plans und Einführung der Währungsreform auch Pläne für die „Wohnsiedlung Ludwigsfeld“ heran, was im unterkühlten Amtsdeutsch „zur Unterbringung kasernenverdrängter heimatloser Ausländer auf dem Gelände des ehemaligen Häftlingslagers des KZ-Außenlagers Dachau-Allach als Ersatzwohnbauten für DPs (Displaced Persons) in München-Ludwigsfeld“ formuliert wurde. Die nackten Zahlen dokumentieren, dass die 690 Wohnungen 1952 fertig gestellt und dann bis zum Frühjahr 1953 mit 1988 Erwachsenen und 920 Kindern belegt waren. Zur Siedlung zählten u.a. auch Volksschule, Ladengeschäfte, Ärzte und Polizeistation, aber damit wäre der „Ludwigsfelder Kosmos“ nicht wirklich beschrieben.

Der Begriff „Multi-Kulti“ war damals noch nicht geboren, aber Menschen aus 22 Nationen (Armenier, Belorussen, Bulgaren, Esten, Georgier, Karatschaier, Kirkisen, Kalmücken, Letten, Litauer, Osseten, Polen, Rumänen, Russen, Serben, Tartaren, Ukrainer, Usbeken, Ungarn…) lebten als einzigartiges Völkergemisch Tür an Tür mit heimatvertriebenen und geflüchteten Deutschen aus dem Banat, der Batschka, Ostpreußen, Pommern, Schlesien, Siebenbürgen, dem Sudetenland und von der Wolga.

Eine besondere Art der Ökumene ist von den Ludwigsfeldern vor Ort mit ihren verschiedenen Glaubensgemeinschaften (Buddisten, Christen mit orthodoxem und nichtorthodoxem Ritus, Juden, Muslime, Zeugen Jehovas) von Anfang an praktiziert und mit religiösen Leben gefüllt worden. Ob einfache Holzkirche mit kleinem Turm, wie die russisch-orthodoxe Kirche des Hl. Erzengels Michael (1963 Grundsteinlegung der neuen Kirche) oder schlichte Behelfsbauten (kath. St.-Johann-Nepomuk-Kirche), sie alle dienten den Gemeinden als Gottesdiensträume. So ist die ehemalige evangelische Golgathakirche (später Kirche der georgisch-orthodoxen Gemeinde) aus einer sog. Bartning-Notkirche des Stammlagers Dachau zusammengezimmert und die Glocke von 1792 im Dachreiter ist einstmals auf unbekannte Weise von Breslau nach Ludwigsfeld „geflüchtet“. Aber ein besonders Ereignis war für alle Ludwigsfelder, als der Dalai Lama 1973 den buddistischen Tempel der Kalmücken in der Rubinstraße besucht hat, die als westmongolischer Stamm vor Kriegsausbruch am Unterlauf der Wolga ansässig waren.

 

Einzug in der Smaragdstraße im Winter 1952/53

 

Ein Kuriosum, seit Anbeginn der Wohnsiedlung, war in der angrenzenden DP-Barackenstadt, neben der Baracke 21 (Schule), die sog. „Kirchen-Baracke“ (Nr. 22). Friedlich unter einem Dach hatten hier Wand an Wand die ukrainisch-orthodoxe Kirche, die evangelisch-lutherische Kirche, ein tibetisch-buddistischer Tempel und ein muslimischer Gebetsraum als Moschee eine erste Bleibe gefunden und das ist sie mehr als zehn Jahre auch geblieben. Der Blick aufs Wesentliche im Leben hatte die Menschen auch in ihrer seelischen Not zusammen geschweißt.

Die Künstler haben mit ihren Kunstwerken in der Ludwigsfelder Wohnsiedlung unaufdringlich versucht, den vielen Menschen eine ermutigende Perspektive zu geben. Etwa die Naturstein-Stehle von Elmar Dietz, auf der das Goethe-Wort „Des Menschen Seele gleicht dem Wasser“ und das Echo-Lied „Wie lieblich schallt durch Busch und Wald des Waldhorns süßer Klang“ von Friedrich Silcher eingemeißelt sind. Max Lachners tiefgründige Motive der Erkerbemalung in der Achatstraße sind als Allegorien zu verstehen, wenn der „Fuchs mit der Gans tanzt, anstatt sie zu fressen“. Professor Henselmann hat sich bewusst etwas gedacht, als er eben kein Streitroß, sondern einen Esel aus Bronze für die Kinder gegossen hat, denn auf dem Rücken des geduldigen Lastentieres kommt der Mensch auch im unwegsamen Gelände zurecht.

Für die Jüngeren ist Ludwigsfeld Heimat geworden, für die älteren Bewohner ein Zufluchtsort, bestenfalls ein Zuhause, denn von Heimat wissen besonders jene zu erzählen, die sie verloren haben. Unterschiedlichste Ethnien und Mentalitäten mit ihrer Geschichte in einer fast dörflichen Gemeinschaft haben im Laufe widriger Zeiten dennoch Identitäten geschaffen und Integration ohne viel Aufhebens gelingen lassen. Das ist die Intention der Ausstellungsmacher, die einzigartige Geschichte der Ludwigsfelder wieder bildhaft vor Augen zu führen und ihr ein Gesicht zu geben. Etwa an den Kaukasier Ibrahim Gacaoglu zu erinnern, der dank glücklicher Fügung in den Nachkriegstagen seine Soldaten vor der „Lienzer Kosakentragödie“ bewahren und damit ihr Leben retten konnte. Einer der späteren Wegbereiter der Muslime in München.

 

Die Wohnsiedlung Ludwigsfeld ist in München auch mit ihren funkelnd anmutenden und wohlklingenden Straßennamen keine Edelstein-Siedlung, sondern eher „ungeliebtes Glasscherbenviertel“. Das hat die schützenswerte Bewohnerstruktur dann auch in der Folgezeit zu spüren bekommen, nachdem die Wohnungen samt und sonders 2007 im Zuge einer Privatisierungsaktion vom ehemaligen Eigentümer, der Bundesvermögensverwaltung, an die gewerblich tätige Patrizia AG veräußert wurden. Selbst noch heute werden nach den bitter gemachten Erfahrungen Fragen laut, dass es für die Stadt München geradezu ein Gebot der Stunde gewesen wäre, erfolgreich dafür Sorge zu tragen, damit dieser Deal nicht zustande kommt. Es war abzusehen, dass der Erwerber keine gemeinwohlorientierten oder gar hehren caritativen Ziele verfolgen wird. Aber damit nicht genug, denn die Dinge haben sich in diesem Jahr mit dem Verkauf von rund 32.000 GBW-Wohnungen an die Patrizia AG erneut im Freistaat Bayern wiederholt. Hat das etwa Methode oder ist der Gedanke zu weit hergeholt?

Es reicht zur Existenzsicherung nicht aus, lediglich ein Dach über dem Kopf zu haben, es muß auch bezahlbar sein und bleiben, wenn nach wie vor „Leben und leben lassen“ Gültigkeit hat. Das ist bei den Ludwigsfeldern immer im Bewußsein geblieben, denn wer den brutalen NS-Terror selbst als abgestempelter Untermensch überlebt hat, weil er mit dem nackten Leben davon gekommen ist, muß die Sinnhaftigkeit von Toleranz nicht durchbuchstabieren, sondern kann sie ganz selbstverständlich an die nachfolgenden Generationen weitergeben. Das könnte auch als Fingerzeig verstanden werden, warum schon seit über 60 Jahren eine multikulturelle Gemeinschaft innerhalb der Stadtgrenzen beheimatet ist. Und was heißt das für eine sich zusehends globalisierende Stadtgesellschaft? Sich ein Herz fassen und den reichen Erfahrungsschatz der Ludwigsfelder heben! Das würde München doch gut zu Gesicht stehen.

 

Tauno M. Lang
Fotos: Privatarchiv E. Repnikov

 

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Die Schule in Ludwigsfeld

von

Ewgenij Repnikov M.A.

 

Bereits 1802 wurde im Beisein von Minister Graf Montgelas zum Andenken an den Schulmann Prof. Sebastian Mutschelle der Grundstein für eine Schule in der Gemeinde Ludwigsfeld gelegt /1802 wurde übrigens auch die allgemeine Schulpflicht in Bayern eingeführt/. In Moosach wurde gleichzeitig die damals dort bestehende Schule aufgegeben und die Einschulung der Kinder nach Ludwigsfeld verfügt.

   

Die Schule Ludwigsfeld wurde in den Jahren 1803 – 1839 von den Kindern aus Ludwigsfeld, Karlsfeld und Moosach besucht. 1805 besuchten 37 Werktagsschüler die Schule Ludwigsfeld. Der erste Lehrer war Jakob Blum. Sein Nachfolger war ein Herr Lehner. 1838/1839 besuchten 67 Werktagsschüler und 60 Feiertagsschüler die Schule. 1840 wurde der Schulsitz nach Moosach verlegt. Die zur Schule in Ludwigsfeld gehörigen Grundstücke wurden für 1.810 Gulden versteigert, und ein Teilerlös in Höhe von 810 Gulden wurde für den Schulhausneubau in Moosach verwendet.

Nachdem die Gemeinde Ludwigsfeld 1877 eine eigene neue Schule gebaut hatte -  die alte Schule war ja verkauft worden – stritt man sich um das Moosach-Ludwigsfelder Schulvermögen. Am 14. November 1890 entschied der königliche Verwaltungsgerichtshof, dass 600 Gulden bei der Gemeinde Moosach verbleiben und 400 Gulden dem Schulsprengel Ludwigsfeld zufallen.

Ab 1877 besuchten auch die Kinder der Ortschaft Karlsfeld, die zur Gemeinde Augustenfeld gehörte, wieder die Schule in Ludwigsfeld. Insgesamt 41 Kinder besuchten die Werktagsschule, 17 Kinder die Feiertagsschule. 1890 besuchten 42 Werktagsschüler und 22 Feiertagsschüler die Schule. 1906 betrugen die Zahlen 57 Werktagsschüler bzw. 21 Feiertagsschüler.

1914 beschloss die Lokalschulinspektion Ludwigsfeld, die Hauptferien wegen der Kartoffelernte in 2 Abteilungen abzuhalten: 21. Juli mit 17. August 1914, 15. September mit 12. Oktober 1914. Dazwischen wurde die Kartoffelernte durchgeführt.

1932/33 besuchten 23 Kinder aus Ludwigsfeld und 27 Kinder aus Karlsfeld die Schule, 1938/39 41 Ludwigsfelder und 38 Karlsfelder Kinder /laut einer anderen Statistik waren es 34 Kinder aus Ludwigsfeld, 36 Kinder aus Karlsfeld und 6 Kinder aus Allach/. Der Lehrer in dieser Zeit hieß Balthasar Rager, der 1933 sogar zum 2. Bürgermeister der damals noch eigenständigen Gemeinde Ludwigsfeld gewählt wurde.

1934 wurde ein neues Schulhaus an das von 1877 angebaut. Aber auch dieses war zu klein: ein Schulsaal für zwei Klassen. Es war also Zweischichtunterricht notwendig – die Oberklasse am Vormittag, die Unterklasse am Nachmittag /im Schuljahr 1939/40 hatte die Unterklasse 34 Schüler, die Oberklasse 43 Schüler/. Am 22. September 1944 wurde der Schulsaal durch Bombenvolltreffer vollständig zerstört. Ludwigsfeld bildete auch nach seiner Eingemeindung am 1.12.1938 nach München einen Schulverband mit der Ortschaft Karlsfeld.

Ende Oktober 1945 wurde die Schule als Außenschule der Volksschule Feldmoching mit rund 80 Kindern im kleinen Saal der Gastwirtschaft "Zur Lüfte" an der Dachauer Straße wiedereröffnet. Am 1. März 1946 wurde die Schule wieder ein selbständiger Schulkörper. Ab Januar 1947 wurde die Schule dreiklassig geführt, und die Schülerzahlen stiegen auch infolge des Zustroms von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen in den nahe gelegenen Lagern bis zum Schulbeginn 1948 auf 162 Kinder. Im März 1950 mietete deshalb die Stadt München in der damaligen Wohnsiedlung Ludwigsfeld an der Dachauer Straße, gegenüber dem BMW-Werk Allach, die Baracke Nr. 3 als zusätzlichen Unterrichtsraum.

Der Leiter der Volksschule in München-Ludwigsfeld, Alois Angerpointner, kämpfte wegen der hohen Schülerzahlen und der für schulische Zwecke ungeeigneten Räumlichkeiten verbissen um den Neubau einer Schule in Ludwigsfeld, diesmal weiter nördlich, näher zu den Lagern, zu Karlsfeld, in der Mitte des schulischen Einzugsgebiets. Und er schaffte es: Am 19. August 1950 wurde der Grundstein für die neue Volksschule in Ludwigsfeld gelegt, die die Anschrift Dachauer Straße 526 bekam. Die Stadt München kaufte den Baugrund für 6.650 DM von der Besitzerin, Frau Ölbrunner.

Am 13. Januar 1951 fand die Einweihung der neuen Schule statt. Aber bereits bald nach ihrer Einweihung erwies sich die Schule mit ihren 4 Lehrsälen als zu klein. In unmittelbarer Nähe nämlich wurde 1952 auf dem Gelände des ehemaligen KZ-Außenlagers Allach die DP-Wohnsiedlung Ludwigsfeld gebaut. Zwar war für die Siedlung ursprünglich eine eigene Schule vorgesehen, doch dann wurde die Erweiterung der bestehenden Schule an der Dachauer Straße 526 für sinnvoller erachtet.

       

Am 27.11.1953 fand die Richtfestfeier des Erweiterungsbaus und am 11.10.1954 die Einweihungsfeier des Erweiterungsbaus statt. Sowohl bei der Einweihung der Schule 1951 als auch bei der Einweihungsfeier des Erweiterungsbaus waren Oberbürgermeister Thomas Wimmer und Stadtschulrat Dr. Anton Fingerle anwesend. Die Schule entstand auf Flur Nr. 105 und Flur. Nr. 106 der Gemarkung Ludwigsfeld. Die Schule, wie auch später die Turnhalle, wurde nach Plänen des Architekten Prof. Rudolf Ortner, eines Bauhausschülers, erbaut.

Die Schülerzahl erhöhte sich von 1951 bis 1954 von 326 auf 750, die Zahl der Klassen von 7 auf 22. So wurde auch weiterhin eine Baracke, ab 1955 die Baracke Nr. 21, im Wohnlager Ludwigsfeld an der Dachauer Straße noch einige Zeit als zusätzlicher Schulraum gebraucht.

Und am 20.6.1956 wurde wiederum im Beisein von Stadtschulrat Fingerle die neue Turnhalle eingeweiht. Bis dahin hatten die Schüler die Möglichkeit, die Turnhalle der Amerikaner im Wohnlager Ludwigsfeld zu nutzen. Diese Turnhalle war die ehemalige Festhalle im BMW-eigenen Lager Ludwigsfeld für Fremd- und Zwangsarbeiter, die während des Kriegs für Kraft-durch-Freude-Veranstaltungen genutzt worden war.

Alois Angerpointner wurde 1963 nach 17-jähriger Tätigkeit als Rektor der Volksschule Ludwigsfeld zum Schulrat in Freising ernannt. Zum neuen Leiter der Schule wurde Oberlehrer Ernst Wittner.

1977 fand eine Schulsprengeländerung statt und wurde die Schule in Ludwigsfeld wegen geringer Schülerzahlen aufgelöst. 52 Grundschüler mussten die Verbandsgrundschule München-Karlsfeld besuchen, die nun für die Schüler aus Ludwigsfeld zuständig war.

In der alten Volksschule Dachauer Straße 526 entstand eine Förderschule.  Die jetzige Adresse der Ludwigsfelder Schule lautet: Sonderpädagogisches Förderzentrum München Nord-West, Rothwiesenstraße 18, 80995 München.

 

 

/Quellen: Stadtarchiv München, Bestand Ludwigsfeld 146/I, 146/II, 147,

                LH München VL 275, Band I, Schulen/Grundschulen 456/1,

                Schulamt  1833, 1862, 2286, 3603,

                Staatsarchiv München, LBA 3116/

 

 

 

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Das Schwabenbächl

– ein kleiner Bach mit bewegter Geschichte

 

von Ewgenij Repnikov  M.A.

 

Als Kinder dachten wir, das Schwabenbächl entspringt in den Kiesbergen beim alten Dorf Ludwigsfeld. Wir wussten ja damals nicht, dass die Kiesberge die künstliche Aufschüttung für den noch in den 30er Jahren geplanten Verschiebebahnhof München-Nord waren.

Tatsächlich aber hat das Schwabenbächl seinen Ursprung im Kleinen See im Nymphenburger Schlosspark, der auch als Pagodenburger See bezeichnet wird. Und so fließt das Schwabenbächl als idyllischer Bach an der in den Jahren 1717-1719 errichteten Pagodenburg vorbei im sog. Pagodenburger Tal durch den Nymphenburger Schlosspark nach Norden, verlässt diesen nach dem Kugelweiher und unterquert die Menzinger Straße.

     

Und dann fließt der Bach weiter durch Hartmannshofen /deshalb wird er hier manchmal auch als Hartmannshofer Bach bezeichnet/ und Moosach, aber auch hier bereits oft in Rohren verlegt, also unterirdisch. Nach der Waldhornstraße in Moosach kommt das Schwabenbächl aus dem Untergrund, um dann in einem Durchlass, den die Firma Leonhard Moll 1940 gebaut hat, unter dem Rangierbahnhof hindurchzufließen und westlich der neuen Dachauer Straße beim alten Dorf Ludwigsfeld an die Oberfläche zu kommen, dann östlich und später  wieder westlich der Dachauer Straße zu fließen.

1927 war eine öffentliche Wassergenossenschaft zur Regulierung des Schwabenbächls und zur Entwässerung der anliegenden Grundstücke in der Gemeinde Ludwigsfeld gebildet worden. Diese Genossenschaft baute westlich des Gasthauses "Zur Lüfte" eine Schleuse, durch die Wasser aus dem Schwabenbächl in den Metzgerbach /dieser wurde auf einigen Karten auch als Schwabenbächl I bezeichnet/ geleitet wurde.

Der Metzgerbach speiste mit seinem Wasser in den 30er Jahren das Ludwigsbad, nach seinem Besitzer Fritz Wagner auch als Wagnerbad bezeichnet, an der heutigen Ferchenbachstraße. Nach der Tieferlegung des Schwabenbächls lief der Metzgerbach trocken, weil kein Wasser mehr durch die Schleuse geleitet werden konnte, und das Ludwigsbad hörte auf zu existieren.

Die Firma Leonhard Moll betrieb ab 1940 bis 1943 ungefähr auf Höhe des Gasthauses "Zur Lüfte", westlich des Schwabenbächls in Ludwigsfeld, Pl. Nr. 201 und 202, ein Lager für Fremdarbeiter. Die Firma Moll baute nämlich nicht nur den Durchlass für das Schwabenbächl unter der Kiesaufschüttung für den Verschiebebahnhof, sondern schaffte diesen Kies auch auf dem sog. Mollgleis /die Fundamente für die Brücke über den Würmkanal kann man übrigens noch am Ludwigsfelder Ufer sehen/ von der Entnahmegrube 11 (jetzt Karlsfelder See) hierher. Der Kies aus der Entnahmegrube 11 sollte auch für den ebenfalls damals bereits geplanten, aber weiter südlich verlaufenden Autobahnring verwendet werden.

Anfang 1944 übernahm die Firma BMW das Moll-Lager und belegte es mit einem Arbeitskommando und 900 Kriegsgefangenen. Die BMW-Flugmotorenbau GmbH bat mit Schreiben vom 17.4.1944 darum, den betonierten Schwabenbachdurchlass als Deckung bei ev. Fliegerangriffen nutzen zu dürfen, was das Wasserwirtschaftsamt München ablehnte, weil durch Einbauten bei Hochwasser Überschwemmungsgefahr bestünde.

Die BMW-Flugmotorenbau GmbH war überhaupt verantwortlich dafür, dass das Schwabenbächl in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts die größten Veränderungen in seinem Unterlauf erlebte. So wurde der Bach in den Jahren 1936-1940 als Vorfluter für die Abwässer aus dem BMW-Werk Allach missbraucht. Das Schwabenbächl floss damals nämlich westlich des BMW-Werks durch den Allacher Forst und mündete in der Nähe des Gilmer Schlosses in den Würmkanal.

Im Dezember 1939 wurde die erste Verlegung des Bachs, weil das Werk ein erstes Mal nach Westen erweitert wurde, abgeschlossen. Das Schwabenbächl floss kurzzeitig etwa ab der Kläranlage, Pl. Nr. 1427 1/3, auf dem Werksgelände zuerst direkt nach Westen durch den Allacher Forst und dann in einem Bogen um das BMW-Werksgelände herum nach Norden zur Einmündung in den Würmkanal.

1940 sollte das BMW-Werk Allach aus kriegswirtschaftlichen Gründen noch weiter nach Westen erweitert werden, und deshalb mussten das Schwabenbächl und die das Werksgelände unterquerende Diamalt-Abwasserleitung verlegt werden. Die damals für das Werk Allach als Rechtsnachfolgerin der Flugmotorenfabrik Allach GmbH zuständige Luftfahrtanlagen GmbH mit Sitz in Berlin zahlte am 5.10.1940 5.000 RM als Entschädigung für die Verlegung des Schwabenbächls an den Besitzer des Bachs, das Land Bayern, vertreten durch die Bayerische Landesforstverwaltung.

Die Firma Gebr. Eckert führte ab dem Sommer 1940 im Auftrag der Firma BMW, ohne den wasserpolizeilichen Bescheid abzuwarten, aber mit Zustimmung des Kulturbauamts München, die Verlegung des Schwabenbächls (ab Pl. Nr. 151, Ludwigsfeld) auf die östliche Seite der Dachauer Straße, an die Grenze der Gemarkungen Ludwigsfeld und Feldmoching, durch.

       

Im Laufe dieser Bachverlegung wurde 1941 die Brücke für die Karlsfelder Straße, die damals Feldmochinger Straße hieß, errichtet. Erst am 13. Mai 1943, als die Verlegung bereits durchgeführt war, erging der wasserpolizeiliche Bescheid, mit dem der Oberbürgermeister der Stadt München der Bayerischen Flugmotorenbau-GmbH in München-Allach die wasserpolizeiliche Erlaubnis zur Verlegung des Schwabenbaches /so hieß dieser Bach immer wieder fälschlicherweise in offiziellen Dokumenten/ erteilte, aber auch die Instandhaltungspflicht für den Bach der Firma BMW auferlegte.

1942-1943 entstand gleich östlich anliegend an das verlegte Schwabenbächl auf Grundstücken der Gemarkung Feldmoching, Flurname Schlechtfeld, das KZ-Außenlager Allach, anfangs auch als Russenlager, der BMW gehörig, bezeichnet. Um die KZ-Häftlinge auf direktem Weg zum BMW-Werk zur Zwangsarbeit treiben zu können, und ohne dass sie Kontakt zur einheimischen Bevölkerung hatten, wurde 1944 auf Höhe der heutigen Kristallstraße 21 eine Brücke über das Schwabenbächl gebaut.

Diese Brücke wurde nach der Vollendung des Baus der Siedlung Ludwigsfeld abgerissen, vorher hatte sie noch als Zufahrt zur Baustelle gedient. Überreste ihrer Fundamente sind aber immer noch zu sehen, genau so wie weiter nördlich eine Einbuchtung im Bachlauf, die ein Bombentreffer hinterlassen hat.

Die Grundstückseigentümer-Anlieger erhielten wegen der Verlegung des Schwabenbächls Entschädigungen, blieben aber Eigentümer der Anliegergrundstücke. Für die Instandhaltung des verlegten Schwabenbächls (von der Abzweigung vom alten Bachlauf bei Pl. Nr. 151, Gemeinde Ludwigsfeld, bis zur Mündung in den Würmkanal) einschließlich der Dämme war aber laut dem wasserpolizeilichen Bescheid vom 13.5.1943 einzig und allein die Firma BMW verantwortlich.

Die Firma BMW versuchte in den 50er Jahren mehrmals, die Instandhaltungspflicht abzuwälzen, was jedoch die Stadt München ablehnte. 1951 kaufte zwar der Bund das Gelände für die Siedlung Ludwigsfeld, war aber nur im südlichen Teil des verlegten Schwabenbächls von der Karlsfelder Straße bis zur Dachauer Straße Eigentümer des Baugeländes, im nördlichen Teil vom Würmkanal bis zur Karlsfelder Straße war er nur einseitiger Anlieger. Der jetzige Eigentümer ist seit 2007, seit dem Kauf der Siedlung Ludwigsfeld, die Patrizia AG. Die Instandhaltungspflicht für das Gewässer obliegt gewöhnlich dem Eigentümer, im Fall des Schwabenbächls also der Patrizia AG.

Einen besonderen Beitrag zum Erhalt des Schwabenbächls leistet übrigens die Firma MTU Aero Engines. Sie fördert in einer eigenen Brunnenanlage Grundwasser, das der Kühlung der Produktionsanlagen dient. Der größte Teil des gebrauchten Grundwassers wird in den Grundwasserbereich zurückgeleitet, während ein kleinerer Teil in das Schwabenbächl eingeleitet wird.

Und so stellt und stellte das ca. 7,5 km lange Schwabenbächl, auch wenn es in seinem Unterlauf in der NS-Zeit starke Veränderungen erfuhr – Tieferlegung, zweifache Verlegung, Führung in einem betonierten Durchlass unter den Kiesbergen - und viel Leid sah, die Verbindung zwischen Bauwerken aus der Barockzeit dar – zwischen der Pagodenburg im Nymphenburger Schlosspark und dem 1601 erbauten und 1690/1691 teilweise verlegten Würmkanal.

Folglich ist es nur logisch, dass entlang des Schwabenbächls ein Radweg gebaut werden soll, der alle historischen Orte und auch Kunstwerke am und in der Nähe des Bachs verbindet und auf einer Brücke über den Würmkanal eine Verbindung zu dem bereits bestehenden Radweg "entlang barocker Wasserwege", denn ein solcher ist ja der Würmkanal, darstellt.

 

/Quellen: Staatsarchiv München, Wasserwirtschaftsämter 1644,1645

                Staatsarchiv München, Autobahndirektion Südbayern 1647

                Staatsarchiv München, Oberforstdirektion (OforstD) 3665, 3666

                Stadtarchiv München, Baureferat-Tiefbau 1341

                Stadtarchiv München, Umweltschutzreferat 101/5/

 

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  Der Ludwigsfelder Armreif

– ein Relikt aus der Hallstattzeit

 

Von Ewgenij Repnikov M.A.

 

1909 wurde im einstigen Ludwigsmoos am östlichen Rand des Allacher Forsts zwischen Ludwigsfeld und Allach eine bis dahin nicht bekannte und verzeichnete Gruppe von 19 Hügelgräbern festgestellt, wovon 7 bereits ausgegraben waren. Die Gruppe erstreckte sich in einem schmalen Streifen zu beiden Seiten eines Feldsträßchens von Süd nach Nord.

Von der südlichen Partie wurden im Rahmen einer Untersuchung durch den historischen Verein von Oberbayern die sechs besterhaltenen Hügel erforscht. Die nördliche Partie sollte 1910 untersucht werden, wozu es jedoch nicht kam.

Hier Ausschnitte aus dem entsprechenden Beitrag in der Altbayerischen Monatsschrift 1912 (Jahrgang 11), herausgegeben vom historischen Verein von Oberbayern, zusammengestellt von Dr. Franz Weber, S. 155-156:

"Keiner der Hügel enthielt eine Steinsetzung oder Tenne, die Begräbnisse wurden auf dem Untergrund der Hügel, dem einstigen Oberflächenboden aufgelegt. Die Begräbnisse sind nicht einheitlich: In zwei Hügeln war Leichenbrand, in zwei kamen Reste von Skeletten zum Vorschein, in zwei Hügeln fehlte von beiden Arten der Beisetzung jede sichere Spur.

Infolge der großen Feuchtigkeit des Bodens haben Skelette und Beigaben stark gelitten. Keiner der Hügel hatte mehr seine ursprüngliche Höhe und Form."

Im Weiteren folgen Beschreibungen der einzelnen Hügel und der Funde in ihnen.

"Hügel V, 45 cm hoch bei 7 m Durchmesser, enthielt im westlichen Grabraum Spuren eines Skeletts nach Osten orientiert, an dessen nur mehr in Fasern erkennbaren Vorderarmknochen sich je ein Armreif von Bronze befand…

( Die Aufnahme des Armreifs wurde freundlicherweise von der Archäologischen Staatssammlung zur Verfügung gestellt. )

Die beiden offenen Armreife mit 5,5 cm lichter Weite sind aus breitem Bronzeband, mit vertikalen engen Rippen, der eine massiv gegossen ohne Endstollen, der andere stark gewölbt und leichter an Gewicht mit solchen /Endstollen/, die Patina dunkelgrün. Die Erhaltung beider Stücke ist sehr gut.

 

                       

( Die Aufnahme des Armreifs wurde freundlicherweise von der Archäologischen Staatssammlung zur Verfügung gestellt. )

 

Über die zeitliche Stellung der untersuchten Hügel ist hinsichtlich der Gräber I, III, IV, V /s. o./ und VI nach der zahlreichen Keramik und den Bronzefunden, kein Zweifel, dass diese der jüngeren Hallstattzeit /ca. 600 vor Christus/ einzureihen sind. Dagegen scheint Hügel II der fehlenden Keramik und dem Bronzefragmente entsprechend einer älteren Zeit angehört zu haben, wobei dann auf die ältere Bronzezeit /ca. 1200 v. Chr./ geschlossen werden könnte."

Diese Ludwigsfelder Hügelgräber lassen also darauf schließen, dass bereits in früher, vorchristlicher Zeit (Hallstattzeit /aus der auch der Ludwigsfelder Armreif stammt/, Bronzezeit) in der Gegend des heutigen Ludwigsfeld menschliche Ansiedlungen bestanden. Vergessen wir nicht, dass die Dachauerstraße in ihrem nördlichen Verlauf (ungefähr ab Ludwigsfeld) eine alte Römerstraße ist. Und die Römer pflegten ihre, damals modernen, Straßen meist auf alten Trassen zu bauen, die aus der Hallstatt- oder Bronzezeit stammten.

Viele der Funde (die ohnehin nur in Fragmenten vorhanden waren) gingen mit der Zeit verloren, ein Teil gelangte jedoch in die Archäologische Staatssammlung. Und so ist leider auch nur noch einer der beiden Bronzearmreife aus dem Ludwigsfelder Gräberfeld hin und wieder in der Dauerausstellung der Archäologischen Staatssammlung, Museum für Vor- und Frühgeschichte, Lerchenfeldstraße 2, 80538 München, zu bewundern.

 

/Die Aufnahme des Armreifs wurde freundlicherweise von der Archäologischen Staatssammlung zur Verfügung gestellt.

 

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